VDEI-Ganztagsexkursion ins Vogtland - 21. Mai 2011
Programm siehe Infoblatt - (C) 2011, Prof. Thiel, BTU Cottbus/Kolkwitz
mit Hinweis Bildbericht von Herrn Thiele

Dass Bahningenieure mehr als nur auf der Höhe der Zeit sind und ihrer Zeit den Stempel „aufdrücken“, war Gegenstand einer Ganztagsexkursion, zu der der Bezirk Berlin/Brandenburg eingeladen hatte. Im sächsischen Vogtland bzw. am nördlichen Rand des Westerzgebirges zeugen zahlreiche Objekte und Projekte vom innovativen Geist der Bahningenieure. Nur eine kleine Auswahl davon ließ sich an einem Tag bereisen. Am Samstag, 21. Mai 2011 trafen sich unter dem Motto „Göltzschtalbrücke – Rollbockbahn – Umsteigen passé“ VDEI-Mitglieder aus vier Bezirken mit ihren Familien am oberen Bahnhof von Reichenbach/Vogt. (Es gibt nur noch diesen einen von einst drei Bahnhöfen der Stadt!) zum Start einer fast siebenstündigen Rundfahrt.
Mit dem Ausbau der Sachsenmagistrale hat der Reichenbacher Bahnhof sein Gesicht erheblich verändert. Das Empfangsgebäude wurde aus der Insellage "befreit", indem die östlichen Gleisanlagen verschwanden und dafür an ihrer Stelle eine neue Straße mit Bussteigen entstand (links). Die Enge der Bahnhofsvorplatzes ist Geschichte, unter dem Dach des ehemaligen Bahnsteigs Richtung Leipzig bzw. Dresden befinden sich die Pkw-Stellplätze für Mobilitätsbehinderte (rechts). Eine Gesamtübersicht bieten auch beide Panoramen (unten).

Baustelle Göltzschtalbrücke

(Links) Erweiterter Brückenquerschnitt der neuen Fahrbahnwanne mit Fahrleitungsmasten.
Zeichnung: DB ProjektBau GmbH
(Rechts) In Erinnerung an den Baustellenbesuch - alle Teilnehmer vor dem Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst. Die Freifläche war einst Teil des Bahnhofs Göltzschtalbrücke.
Derzeit erhält das Göltzschtalviadukt - größte Ziegelbrücke der Welt – eine neue Fahrbahnwanne und wird für die Elektrifizierung vorbereitet. Dipl.-Ing. Falk Kertscher (VDEI Sachsen) und Dipl.-Ing. Döring (Sächsische Bau, NL Plauen) führten und erläuterten sach- und fachkundig am und auf dem Göltzschtalviadukt. Während in Ketzels Mühle auf Fuße des Viaduktes eine Ausstellung zur Geschichte des Bauwerks die Teilnehmer begeisterte, ließ sich mit der Baustellenbesichtigung „hoch oben“ die derzeit laufende Ertüchtigung des Bauwerks im wahrsten Sinne des Wortes begreifen. Eine Hälfte der neuen Fahrbahn ist inklusive der Elektrifizierung bereits fertig gestellt, die andere ist in allen wesentlichen Bauphasen zu sehen: Abbruch, Schalung, Montage, Betonieren etc. Vom Areal des ehemaligen Bahnhofs Göltzschtalbrücke – einst Kopfbahnhof der Nebenbahn Reichenbach – Lengenfeld und heute ein großzügig gestalteter Landschaftsraum - hat man einen sehr guter Gesamtblick auf die seinerzeit (1851) mit 78 m über Talsohle höchste Brücke der Welt. Zahlreiche Publikationen sind zur Göltzschtalbrücke erschienen. So würdigte u. a. die Bundesingenieurkammer mit dem zweiten Band ihrer Reihe "Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland" die herausragende Bedeutung dieses Bauwerks der frühen Phase des Bahnbaus und den Ingenieurgeist von Professor Andreas Schubert und der ihn umgebenen Fachleute.
(Ringsum) Bilder vom Baustellenbesuch am 23.03.2011, als das Richtungsgleis Hof - Leipzig noch im Bau war, Blick von oben auf Ketzels Mühle, Schotterverklebung bzw. Gleisabfangung, eingleisiger Bahnbetrieb, Montage der neuen Brüstungsplatten, Blick entlang der Arbeitsebene des Gerüsts, Karte von der Göltzschverlegung beim Brückenbau 1846/47.
 

Rollbockbahn Oberheinsdorf

(Oben) Die Lok 99 162 vor der Lokhalle und mit einem Teil der Mitreisenden. Und so sah das Motiv in der entgegen gesetzten Richtung aus (unten, Foto Mischke, Berlin):
Vereinsvorsitzender Herr Kober stellte Geschichte und Technik vor. Die Funktion des Rollbocks wird erläutert. Die Technik des Aufbockens wird mit und in einer neuen Rollbockgrube dargestellt.
Nach dem Mittagessen im Schönbrunner Gasthaus „Goldenes Herz“ ging es auf zur zweiten Reisestation: Im Tal des Raumbaches bediente von 1902 bis 1962 eine meterspurige Nebenbahn acht Textilunternehmen und die Reichenbacher Gasanstalt. Die so genannte Rollbockbahn ist heute die westlichste Station der Dampfbahnroute Sachsens. Als besonders sehenswert die einzige noch vorhandene Hartmannsche FAIRLIE-Lok 99 162, die wegen ihrer Bauart in der Lage war, 15-m-Bögen in den engen Fabrikhöfen zu durchfahren! Halt wurde am Rollbockmuseum Oberheinsdorf gemacht. Aus Anlass des VDEI-Besuchs verließ die Lok, die in Dauerleihgabe des Verkehrsmuseums Dresden in ihrer Einsatzheimat liebevoll gepflegt wird, ihren witterungsgeschützten Stand in der neu gebauten Lok- und Ausstellungshalle und präsentierte sich unter freiem Himmel neben einem restaurierten Personenwagen 3. Klasse, für den der Traditionsverein „Rollbockbahn“ e. V. den dritten Preis beim “Claus-Köpcke-Preis 2005“ erhielt. Die Technik des Aufbockens regelspuriger Güterwagen wird am talseitigen Ende der Gleisanlage mit einem zweiachsigen Flachdachwagen demonstriert.
+Der Rollbockbahnverein hat auf seiner Homepage einen Bericht zu unserem Besuch veröffentlicht.
Gleismessgerät Gleisplan mit Anschlussstelle zum Reichenbacher Gaswerk Detail der Straßenpflasterung mit und ohne Rillenschiene Restaurierter Personenwagen 3. Klasse

Stadt- und Regionalbahn Zwickau  (Dreischienengleise)

Nur 5 km von Oberheinsdorf entfernt liegt in Voigtsgrün eine der Verkehrsstationen der Vogtlandbahn, die anlässlich der EXPO2000 Hannover den umsteigefreien Personenverkehr in die Zwickauer Innenstadt am 28.5.1999 eröffnete. Die dortigen 1435/1000-mm-Bahnanlagen (1.093 m lange Dreischienenstrecke) waren als abschließendes Tagesziel mehr als nur einen Blick wert! Wie die unterschiedlichen Rad-Schiene-Beziehungen bei Straßenbahn- und Eisenbahnfahrzeugen zu differenzierten Weichenkonstruktionen führen, wurde an Hand der Herzstückbauarten der Weichen- und Kreuzungen vor Ort erläutert. Außerdem ließen sich die VDEI-Mitglieder in der Straßenbahntrasse am benachbarten Gewandhaus, dem Zwickauer Konzerthaus, Besonderheiten der Körperschallentkopplung zeigen. Die Engstelle der Gewandhausgasse zwang zudem zum Bau einer Gleisverschlingung.
Der historische Triebwagen der Zwickauer Straßenbahn fährt "wie gerufen" ins Bild (Tw 7, ex Plauen, MAN 1912, aufgearbeitet in Hauptwerkstatt der Krakauer Straßenbahn, 1994).